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Eveline Cioflec

Weltentwurf‘ und die Verortung des Denkens | Projecting the World' or the Place of Thought

 

In Martin Heideggers Vorlesung Grundbegriffe der Metaphysik von 1929/30 wird Welt nicht wie in Sein und Zeit als Bedeutsamkeit des Verweisungszusammenhangs verstanden, nicht mehr aus dem Handlungszusammenhang ausgelegt, sondern als Entwurf aufgefasst. Dieser Entwurf von Welt ist ein Horizont des Verstehens des Daseins, des Menschen, woraufhin alles Seiende verstanden wird. Die Welt als Entwurf hat insoweit einen anderen Charakter, als sie vom Geschehen her verstanden wird, als Weltbildung.

Die Welt in Sein und Zeit bezeichnet nicht dasselbe Phänomen wie „Welt“ in Grundbegriffe der Metaphysik. Welt, Endlichkeit, Einsamkeit. In Sein und Zeit bleibt die Auffassung der Welt am Bedeutungszusammenhang ausgerichtet. Mit der Analyse der Erschlossenheit des Daseins ist allerdings schon der Weg gebahnt, die Welt als Offenheit aufzufassen. So lässt sich das Phänomen Welt, wie es in Sein und Zeit angekündigt wird, pointierter anhand der Vorlesung Grundbegriffe der Metaphysik verstehen. In dieser Vorlesung wird die Welt als „Offenbarkeit des Seienden als solchem im Ganzen aufgefasst. Der Unterschied zur Auffassung im Sein und Zeit beruht in der Perspektive der Fragestellung: es wird hier nach der „Zugänglichkeit des Seienden gefragt und nicht nach der Möglichkeit des Zugangs im Daseins.

Die Welt wird hier aus der Weltbildung verstanden. Die Weltbildung meint aber nicht eine Projektion, einen schöpferischen Entwurf des Daseins. Weltbildung beruht zwar auf einem Entwurf, aber dieser ist in ein Geschehen eingebettet. Die am Dasein als Verankerung der Philosophie orientierte Auslegung als zentrales Motiv von Sein und Zeit wird in dieser Vorlesung beibehalten. Es geht in diesen weiterführenden Erörterungen darum, das Geschehen zu berücksichtigen, um das ληθεύειν, die Weise des Entdeckens von Seiendem zu verdeutlichen. Heidegger spricht hier vom „Geschehen des Entwurfs“ in dem sich die Welt bildet. Dieser ist nicht der Entwurf des Daseins, nicht der Entwurf als Dimension der Zeitlichkeit des Daseins, wie er in Sein und Zeit zu verzeichnen ist, sondern Seinsentwurf. 

Der Entwurf, und somit die Weltbildung, wird nicht vom Menschen bestimmt. Die Weltbildung geschieht und dafür ist der Mensch in seinen Grundstimmungen offen. Mit dem Entwurf der Welt ist das Verständnis dessen, was sich gibt, in einen Horizont eingefügt, über den der Mensch nicht verfügt und der auch nicht von ihm ausgemacht wird. Der Bezug zu diesem Horizont ist in der Auslegung gegeben: Etwas wird immer als etwas verstanden. Zugleich wird aber das Geschehen in den Vordergrund gerückt. Die Offenheit einer möglichen Auslegung liegt nicht im Dasein, sondern im Geschehen, was bedeutet, dass es nicht mehr auf der ek-statischen Zeitlichkeit beruht, eine Dynamik und Offenheitsstruktur zu gestalten, die weder auf einen Grund zurückgeführt wird, noch Identität beansprucht. Wenn in Sein und Zeit die Offenheit der Auslegung oder des Aufdeckens von Wahrheit, sowie der Zeitigung, und somit des bewegten Lebens, in der Zeitlichkeit des Daseins verankert wurde, so wird hier diese Offenheit als ein Geschehen aufgefasst, dem das Dasein selbst zugehörig ist.

Und dennoch, so dürfte man behaupten, ist die Verortung des Denkens als solche nicht in Frage gestellt. Das Denken findet immer in einer gewissen Sprache, in einem gewissen kulturellen Rahmen statt. Wenn Heidegger das Gespräch zwischen den Kulturen auf ein Unbestimmtes zurückführt, aus dem letztlich alles Denken hervorgeht, so ist damit die tatsächliche Verortung des Denkens nicht aufgehoben. Vielmehr ist das Denken in seiner Angewiesenheit auf Verortung bestätigt, denn es hält sich nicht im unbestimmten, im Zwischen, im Offenen, sondern wird immer wieder einem gewissen Weltentwurf eingegliedert. 

Ich werde in meinem Vortrag auf diesen letzteren Aspekt näher eingehen und die Frage nach der kulturellen Bedingtheit und Ausprägung des Denkens stellen, wobei ich als ‚kulturell‘ die unterschiedlichen Lebensbereiche und Ausdrucksweisen des Menschen verstehe. Dabei werde ich den jeweiligen Selbstbezug als für das Denken ausschlaggebend hervorheben.

 

 

1994-1999 Studium der Philosophie in Cluj-Napoca, Rumänien, 2008 Promotion in Freiburg i. Brsg. mit der Dissertation "Der Begriff des Zwischen bei Martin Heidegger", veröffentlicht 2012 im Karl Alber Verlag, Freiburg/ München. Forschungs- und Lehraufenthalte u.a. in Tübingen, Kyoto, Bukarest, New York . Seit 2012 postdoc Stipendiatin der University of Kwa-Zulu Natal in Durban, Südafrika.

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